Praxisbasierte Forschungsnetzwerke – Evidenz, die aus der Praxis kommt

Die Idee praxisbasierter Studien besteht darin, dass niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte Patienten behandeln und die Daten aus der Patientenbehandlung anonymisiert an Dritte weitergeben. Das kann eine Uni, können aber auch Forscher im eigenen Netzwerk sein. Diese analysieren die Daten und generieren so praxisrelevante, wissenschaftliche Erkenntnis.

Oftmals wird die Praxisferne wissenschaftlicher Publikationen und vieler Empfehlungen beklagt. Dies könnte u.a. daran liegen, dass wissenschaftliche Erkenntnis unter den Bedingungen der Universitätskliniken entsteht. Hier sind Studienprotokolle zwar gut kontrollierbar und Verzerrungen weitgehend vermeidbar, aber die Behandlungsbedingungen sind u. U. weit vom Praxisalltag entfernt. Praxisbasierte Forschungsnetzwerke könnten dieses Manko beseitigen. Der Ansatz kam in den 1970er Jahren in den USA auf, aber auch hierzulande gibt es mittlerweile einige dieser Netzwerke für die Zahnmedizin. Hier ein paar Beispiele:

Praxisbasiertes Forschungsnetzwerk Parodontologie

Was ist das? Das Paro-Netzwerk der Universität Freiburg sammelt und analysiert Therapiedaten von niedergelassenen, auf Parodontologie spezialisierten Zahnarztpraxen. Mit Daten gefüllt wird es von zahnärztlichen Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs „Parodontologie und Implantat-Therapie“ an der Freiburger Uni.

Ziel? Dieses besteht in der Sammlung von Daten aus der Praxis und dem Vergleich mit universitären Studienergebnissen. Zunächst wurde eine Studie durchgeführt zum Zahnerhalt nach Parodontitis-Therapie in der spezialisierten parodontalen Praxis und den Einfluss eines regelmäßigen Recalls. Weitere Studien folgen.

Wie funktioniert das? Daten werden über das parodontale Befundungsprogramm ParoStatus® (Parostatus.de GmbH, Berlin, Deutschland) nach Installation einer Zusatzsoftware gesammelt und von der Universität ausgewertet.

Literatur: Wölber J, et al. Praxisbasiertes Forschungsnetzwerk Parodontologie. Risikofaktoren für den Zahnverlust in der Parodontitistherapie. zm 2021/17.

Arbeitskreis Zahnärztliche Therapie (AZT)

Was ist das? Das Netzwerk der AZT besteht aus Absolventen der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. 2003 startete der Arbeitskreis das Projekt „Langzeitbeobachtung von Versorgungen mit Wurzelstiften“.

Ziel: Hier steht die Verbesserung der eigenen Vorgehensweisen und Methoden im Vordergrund. Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn ist ein weiteres Ziel.

Wie funktioniert das? Interessierte Mitglieder geben ihre Behandlungsdaten in anonymisierter Form weiter. Dafür wurde eigens eine Software zum Auslesen von Praxisverwaltungssystemen erstellt. Diese Daten werden nicht nur zur eigenen Analyse genutzt, sondern auch Universitäten für Studien zur Verfügung gestellt. Beispielsweise können mit Hilfe der Software die Erfolgsquoten der endodontischen Behandlungen dieser Praxen ausgewertet und abhängig von verschiedenen Parametern untersucht werden.

Weitere Informationen: info azt.de, www.azt.de

Die Ceramic Success Analysis (CSA)

Was ist das? Die CSA ist eine multizentrische Feldstudie zu vollkeramischen Restaurationen, die bereits in den 1990er Jahren initiiert wurde. Sie wird von der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (kurz AG Keramik e.V.) durchgeführt.

Ziele? Die Ziele bestehen in der Langzeitbeobachtung vollkeramischer Restaurationen, der Beurteilung von Systemen und Vorgehensweisen und der Weiterentwicklung der vollkeramischen Versorgung. Neben den Studienergebnissen ist für Teilnehmer der Vergleich mit den Kollegen interessant. Dieser ermöglicht im Sinne eines Benchmark-Vergleichs die Optimierung eigener Vorgehensweisen.

Wie funktioniert das? Studienteilnehmer laden auf CSA-Online.net eigene Patientenfälle in das digitale System. Dabei muss eine bestimmte Fallzahl erreicht werden: Dokumentation, Kontinuität und Nachkontrolle der Fälle sind Bedingung. Erfasst werden Inlays, Onlays und Einzelkronen im Seitenzahnbereich, direkt chairside oder indirekt laborgefertigt. Neben verschiedenen klinischen Bedingungen werden das Herstellungsverfahren, die verwandte Keramik oder Gerüstkeramik und ggf. die Verblendkeramik festgehalten.

Die Auswertung der Daten erfolgt durch das wissenschaftliche Team der AG Keramik e.V.  Die Studie verfolgt rein wissenschaftliche Zwecke; eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen sind aus CSA bereits hervorgegangen.

Literatur: Collares K, et al.: A practice-based research network on the survival of ceramic inlay/onlay restorations. Dent Mater 2016; 32(5): 687-694

Digitale Technologie erleichtert die Datensammlung für praxisbasierte Forschungsnetzwerke entscheidend. Ihre Mitglieder profitieren direkt für die eigene Praxis und bieten der Forschung mit ihren Datensammlungen eine Basis für die Generierung praxisrelevanter Evidenz.