Vorsicht Zuckerfalle
Ein wachsender Zuckerkonsum ist der Medizin und der Zahnmedizin gleichermaßen ein Dorn im Auge. Er verbindet beide Bereiche als „Common Risk Factor“, wie es der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Prof. Dr. Roland Frankenberger (Uni Marburg), ausdrückt. Sowohl die Allgemeingesundheit als auch die Mundgesundheit sind durch einen zu hohen Konsum freier Zucker gefährdet. Die DGZMK veranstaltete Mitte des Jahres zu dieser Problematik eine Pressekonferenz.
Hinlänglich bekannt ist die Verknüpfung zwischen Karies und Zucker. Auch aktuelle Publikationen zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen zuckerhaltiger Ernährung und Kariesprävalenz. Mit Blick auf die derzeitige Studienlage stellte Prof. Frankenberger fest, dass hierbei der soziodemografische Hintergrund stets berücksichtigt werden müsse. Interessant sei auch, dass in Haushalten mit beträchtlichem „Sugar Intake“ in der Regel gleichzeitig weniger Obst und Gemüse konsumiert werde.
Wie Prof. Dr. Johan Peter Wölber (Uni Freiburg) ausführte, zeigen neuere Untersuchungen darüber hinaus, dass der Zuckerkonsum auch zur Entstehung einer Gingivitis beiträgt und mit mehr Parodontitis assoziiert ist. Neuere Interventionsstudien, die eine Zuckervermeidung der Probandinnen und Probanden beinhalteten, konnten sogar trotz gleichbleibendem oder vermehrtem Zahnbelag eine Reduktion der Zahnfleischentzündung feststellen. Damit nehme die Zuckervermeidung eine zentrale Stellung in der Vermeidung von Karies, Gingivitis und wahrscheinlich auch Parodontitis ein. Zahnärztinnen und Zahnärzte sollten dementsprechend weiterhin und eher noch verstärkt eine Empfehlung zur Zuckervermeidung und -entwöhnung geben, so Prof. Wölber.
Die systemischen Folgen eines hohen Zuckerkonsums umfassen ein erhöhtes Entzündungspotenzial von Zahn, Zahnfleisch, Gelenken, der Haut und anderer Organe. Zu den weiteren Folgen können zählen: Schwächung des Immunsystems und Erhöhung der Infektanfälligkeit sowie Förderung von Magen- und Darmbeschwerden. Auch die Darmflora leidet unter hohem Zuckerkonsum und sogar Schlafprobleme können auftreten. Zu den bekanntesten gesundheitlichen Risiken gehört Diabetes Mellitus Typ 2.
(Quelle: Presseinformation der DGZMK)
Was Patientinnen und Patienten wissen sollten:
- Limonaden und Säfte sind Zuckerfallen, da sie stark zuckerhaltig sind und oftmals in großen Mengen getrunken werden.
- Fruchtzucker ist nicht gesünder, sondern in zugesetzter Form eher schädlicher als andere Zuckersorten: Fettleber, Diabetes Typ 2, Hypertonus, Krebs, Übergewicht, erhöhte Blutfette und eine beschleunigte Arterienverkalkung können die Folgen eines hohen Fruktosekonsums sein.
- Honig und Ahornsirup sind nicht gesünder als Zucker.
- Empfehlung der WHO*: Den täglichen Zuckerkonsum auf weniger als 10 % der täglichen Energieaufnahme, besser noch auf 5 %, begrenzen – dies sind ca. 50 bzw. 25 g freier Zucker pro Tag (= ca.12 bzw. 6 Teelöffel).
*Die Empfehlungen beziehen sich auf alle Mono- und Disaccharide, die Nahrungsmitteln zugesetzt sind sowie auf Zucker, der in Honig, in Sirup, in Fruchtsäften und Fruchtkonzentraten vorkommt.
Weiterführende Lektüre:
Ernährungszahnmedizin. Johan Peter Wölber und Christian Tennert (Hrsg.). Quintessenz Publishing 2022. ISBN 978-3-86867-582-5
Neues aus der Wissenschaft zum Zuckerkonsum:
Guo A, Wide U, Arvidsson L. et al. Dietary intake and meal patterns among young adults with high caries activity: a cross-sectional study. BMC Oral Health 22, 190 (2022).
In dieser Untersuchung wurden ungesunde Ernährungsmuster bei Jugendlichen mit hoher Kariesaktivität gefunden; sie beinhalten stark gesüßte Speisen und Getränke sowie Snacks – hingegen wenig Obst, Gemüse und Ballaststoffe. Es besteht ein möglicher Zusammenhang zwischen der Frequenz des Snackens und der Kariesprävalenz.
Zum Nachlesen: rdcu.be/cU6Q8 (open access)
Moores CJ, Kelly SAM, Moynihan PJ. Systematic Review of the Effect on Caries of Sugars Intake: Ten-Year Update. J Dent Res. 2022 Aug;101(9):1034-1045. doi: 10.1177/00220345221082918. Epub 2022 Mar 18. PMID: 35302414.
Aktuelles Update vorangegangener Reviews zum Zusammenhang zwischen der Höhe des Zuckerkonsum und Karies. Die Ergebnisse bestätigen die Empfehlungen der WHO für Zucker.
Woelber JP et al. The influence of an anti-inflammatory diet on gingivitis. A randomized controlled trial. J Clin Periodontol. 2019 Apr;46(4):481-490. doi: 10.1111/jcpe.13094. Epub 2019 Apr 2. PMID: 30941800.
Die Studie zeigt den positiven Einfluss einer Ernährungsumstellung auf Gingivitis; die Umstellung auf eine gesunde Kost ging bei den Teilnehmenden mit einer Reduktion des Körpergewichts einher.