Nachhaltigkeit messen, aber wie?

Eine Studie zur Nachhaltigkeit von Zahnbürsten macht es vor

Was schlägt hinsichtlich des eigenen CO2-Fußabdrucks wohl mehr zu Buche, eine Fernreise per Flugzeug oder der Kauf von Obst im Plastikschälchen? Klar, der Vergleich ist einfach, Flugreisen verursachen hohe Treibhausgas-Emissionen und somit eine negative Umweltbilanz. Aber das Thema Nachhaltigkeit ist höchst aktuell und macht auch vor der Praxis nicht halt.

Möchte man wissen, ob in der Zahnarztpraxis z. B. wiederverwendbare Instrumente Einweginstrumenten überlegen sind, erscheint das Ergebnis weniger offensichtlich als im Beispiel oben. Um sich ein Bild zu machen, müsste man Material, Herstellungsprozess, Entsorgung sowie bei den wiederverwendbaren Instrumenten Energieaufwand und die Chemie für die Aufbereitung berücksichtigen.

Da nun die Forderungen nach einer nachhaltigen Zahnmedizin und Praxisführung durchaus lauter werden, müssen solche Rechnungen wohl öfter einmal aufgemacht werden, wenn man dem Ziel nachkommen möchte, umweltschädliche Auswirkungen auch in der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland zu minimieren.

 

Vier verschiedene Zahnbürstentypen auf dem Prüfstand

Eine im Jahr 2020 erschienene Studie von Lyne und Kollegen zeigt, wie eine Quantifizierung hinsichtlich umweltbezogener Nachhaltigkeit im Bereich der Zahnheilkunde erfolgen kann [1]. Die Studie erforscht zwei Fragestellungen: Welche Art von Zahnbürsten ist im Gebrauch über 5 Jahre hinweg am nachhaltigsten? Und: Welche Aspekte des Lebenszyklus („life cycle“) der Zahnbürstentypen verursachen die meisten negativen Umwelteinflüsse? Verglichen werden konventionelle Handzahnbürsten aus Plastik, Bambushandzahnbürsten (mit Kunststoffborsten), Handzahnbürsten aus Bioplastik mit austauschbaren Köpfen und elektrische Zahnbürsten. Jeweils ein Modell wurde als Stellvertreter der vier Kategorien gewählt und für die Berechnung zerlegt. Die Studie wurde in zwei Zahnkliniken, dem Eastman Dental Hospital, London/UK, und der Universitätszahnklinik in Dublin/Irland durchgeführt.

Umweltbezogene Nachhaltigkeit mittels LCA bestimmen

Der Vergleich der Zahnbürsten erfolgt über das „life cycle assessment“ (LCA). Diese Methode geht weit über die Erhebung von Treibhausgas-Emissionen für einen CO2-Fußabdruck hinaus. CO2 und CO2-Äquivalente werden zwar erfasst, aber viele weitere Kategorien können ebenfalls einbezogen werden. Dabei werden alle Aspekte eines Produkts (oder einer Dienstleistung) vom Abbau der notwendigen Rohstoffe über die Lieferkette und den Gebrauch bis zur Entsorgung berücksichtigt. Für die komplexe Berechnung wird eine spezielle Software benötigt. Erste Richtlinien zur Standardisierung des Verfahrens gibt es bereits. Die Methode wird in dieser Studie nach ISO-Standards und Product Environmental Footprints (PEF)-Empfehlungen durchgeführt.

Förderung von Rohmaterialien, Herstellung, Transportwege, Konsum und Entsorgung der Zahnbürsten – also ihr gesamter Lebensweg – werden von den Studienautoren in Abschnitte zerlegt, die in die Berechnung der Umweltwirksamkeit eingehen. In den jeweils adäquaten Maßeinheiten werden die folgenden Kategorien erfasst: Versauerung von Böden und Trinkwasser, der Beitrag zum Klimawandel, die Toxizität für Trinkwasser, Eutrophierung des Trinkwassers, des Meeres und des Erdbodens, schädliche Einflüsse auf die menschliche Gesundheit, Landverbrauch, Gefährdung der Ozonschicht, Ressourcen- und Wasserverbrauch.

Bambus- und Wechselkopfbürste schneiden am besten ab

Die Studie ergibt, dass die elektrische Zahnbürste in allen Kategorien, Wasserverbrauch ausgenommen, am schlechtesten abschneidet. Die Bambus- und die Plastikzahnbürste mit Wechselkopf zeigen über alle Kategorien hinweg bessere Ergebnisse als die Plastikhandzahnbürste und die elektrische Zahnbürste; d. h. sie besitzen eine geringere Umweltschädlichkeit und sind damit die nachhaltigeren Alternativen. Die elektrische Zahnbürste hat über einen Zeitraum von 5 Jahren gerechnet ein 11x höheres Klimaschädigungspotenzial als die Bambusbürste.

Bei der Bambuszahnbürste trägt der Wasserverbrauch des Anwenders am stärksten zur Umweltbilanz bei. Bei der konventionellen wie bei der Wechselkopf-Plastikhandzahnbürste schlägt das Material Polypropylen am stärksten zu Buche mit 37 bzw. 33 %. Bei der elektrischen Zahnbürste erweisen sich der Transport (47 %) und das Material (46 %) als stärkste Einflussgrößen; interessanterweise zeigen Stromverbrauch und Entsorgung nur geringen Einfluss auf die Umweltbilanz.

Die Validität der Studie ist etwas eingeschränkt, da die Methode noch in der Entwicklung und die Wertung einzelner Ergebnisse noch unklar sind, wie die Autoren anmerken. Weiter weisen sie darauf hin, dass eventuell noch nicht die passenden Kategorien gefunden werden konnten. Zudem wurde für alle Typen ein „Stellvertreter“ gewählt; eventuell hätte es andere, nachhaltigere Zahnbürstenmodelle gegeben. Auch war der Effekt von Bioplastik nicht ganz klar und teilweise musste bei der Analyse auf Schätzungen zurückgegriffen werden.

Fazit

Die Autoren halten fest, dass die Handzahnbürste aus Bambus und die Plastikzahnbürste mit Wechselkopf in dieser Studie hinsichtlich umweltbezogener Nachhaltigkeit besser abschneiden als die Kunststoffhandzahnbürste und die elektrische Zahnbürste. Dies könne u. a. in die Beratung hinsichtlich häuslicher Zahnpflege einfließen. Überdies sehen die Autoren Hersteller in der Verantwortung, mittels der Erstellung von LCA nachhaltigere Produkte zu entwickeln.

 

Übrigens …

Ihre persönliche CO2-Bilanz können Sie über den CO₂-Rechner des Umweltbundesamts berechnen, um diese für die Zukunft zu optimieren. Kostenfrei und anonym unter: uba.co2-rechner.de/de_DE/

 

Studie:

[1] Lyne A, Ashley P, Saget S, Costa M, Underwood B, Duane B. Combining evidence-based healthcare with environmental sustainability: using the toothbrush as a model. British dental journal. 2020 Sept;229(5): 303-309 - 10.1038/s41415-020-1981-0

https://www.researchgate.net/publication/344225318_Combining_evidence-based_healthcare_with_environmental_sustainability_using_the_toothbrush_as_a_model