Studie zu „Motivational Interviewing“:
Motivierende Gesprächsführung unterstützt Verhaltensänderung

Die Beratung spielt in der Zahnarztpraxis eine immer wichtigere Rolle. Kariesrisikopatienten profitieren zum Beispiel von einer Ernährungsberatung, Parodontitispatienten sollten über Risiken wie das Rauchen aufgeklärt und zu einer möglichst perfekten Mundhygiene motiviert werden. Eventuell sind auch Hinweise zu einer zahngesunden Ernährung hilfreich. Die Mahnung mit dem erhobenen Zeigefinger oder gar eine Drohkulisse verhelfen Patientinnen und Patienten erfahrungsgemäß nicht zur Einsicht, sondern können vorhandenen Widerstand sogar noch festigen. Helfen könnte das „Motivational Interviewing“ (MI), das hier einen anderen Weg geht. Dieser Ansatz setzt auf Empathie und Bestärkung, was offenbar Wirkung zeigt, wie eine Literaturstudie jüngst feststellte.

Die Metastudie von Bischof und Kollegen an der Universität Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, hat einen Nachweis für die Effektivität dieses Ansatzes bei Patienten mit häufig vorkommenden Störungsbildern in der vorhandenen Literatur gesucht. Die Analyse ergab statistisch signifikante positive Interventionseffekte für MI gegenüber dem Standardvorgehen bzw. keiner Intervention. Oder kurz gesagt: Die Technik wirkt, sie ist zudem nicht aufwendig und kann schnell erlernt werden.

Wie funktioniert „Motivational Interviewing“?

Als Gesprächsbasis sollte eine gute Patientenbindung vorherrschen. Dafür notwendig ist ein emphatisches Eingehen auf den Patienten und die Anerkennung seiner Lebenssituation, sodass eine vertrauensvolle Beziehung entstehen kann.

Information und Instruktion werden erst gegeben, wenn der Patient oder die Patientin diese annehmen kann. Keinesfalls sollte der oder die Fragende gegen Widerstände argumentieren. Vielmehr sollten Ambivalenzen im Patienten erkannt werden. Während des Gesprächs werden Gründe erfragt, weshalb die Verhaltensänderung sinnvoll sein könnte sowie, was aus Sicht des Patienten dagegenspräche.

Die Gründe für eine positive Veränderung werden verstärkt, indem sie erforscht und vertieft werden. Diskrepanzen zwischen Verhalten und eigenen Vorstellungen werden dem Patienten bewusst gemacht. Letztendlich soll der Patient selbst herausfinden, dass eine Verhaltensänderung für ihn vorwiegend positive Folgen hätte und er sich diese Veränderung überdies auch zutrauen kann. Das Ziel besteht in der Entscheidung des Patienten für eine Verhaltensänderung, die konkret in Handlungspläne überführt wird. Zum Wohle des Patienten und zur Reputation der Praxis.

Wirkmechanismen

Drei alternative Erklärungen werden für die Wirkung des Motivational Interviewings gegeben:

(1) Die wahrscheinlichste Erklärung: MI bezieht seine Wirksamkeit aus verschiedenen „Basisfertigkeiten“, darunter auch Techniken, die in der Therapie angewandt werden: Offene Fragen, aktives Zuhören, Bestätigung und selektive Verstärkung selbstmotivierender Äußerungen.

(2) Beziehungshypothese: Die Beziehung zum Zahnarzt oder der Zahnärztin bestimmt die Wirkung. Die therapeutische Empathie spielt eine große Rolle.

(3) Konfliktlösungshypothese: Die Wirkung beruht auf der Erkundung und Lösung vorliegender innerpersoneller Konflikte.

Studie:

Bischof G, Bischof A, Rumpf HJ: Motivational interviewing—an evidence-based approach for use in medical practice. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 109–115. – deutsche Zusammenfassung: Bischof G, Bischof A, Rumpf HJ: Motivierende Gesprächsführung: Ein evidenzbasierter Ansatz für die ärztliche Praxis. Dtsch Arztebl. 2021; 118(7): 109-115
www.aerzteblatt.de/archiv/217808/Motivierende-Gespraechsfuehrung-Ein-evidenzbasierter-Ansatz-fuer-die-aerztliche-Praxis

Motivational Interviewing für die Zahnarztpraxis

Dr. Christoph A. Ramseier hat den Ansatz des Motivational Interviewings auf die Zahnmedizin übertragen. Grundzüge sind nachzulesen in Ramseier CH. Motivational Interviewing: Empathie statt erhobener Zeigefinger. PnC-aktuell. 07.01.2021

www.pnc-aktuell.de/parodontologie/story/motivational-interviewing-empathie-statt-erhobener-zeigefinger__9003.html; zuletzt abgerufen: 05.04.2022